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ERAS® Exzellenzzentrum der ERAS® Society
ERAS (Enhanced Recovery after Surgery)
Wörtlich übersetzt heißt ERAS "beschleunigte Genesung nach chirurgischen Eingriffen", mitunter auch bekannt unter "Fast track" (wörtlich übersetzt "schnelle Schiene"). Das bedeutet aber nicht, dass Operationen möglichst schnell durchgeführt werden sollen. Vielmehr handelt es sich um ein multimodales Konzept, in dem alle daran Beteiligte wie Patienten, Chirurgen, Anästhesisten, Physiotherapeuten und das Pflegepersonal intensiv daran arbeiten, die Vorbereitungs- und Erholungsphase nach einer Operation so wenig belastend wie möglich zu gestalten..
Warum ist ERAS so wichtig?
Konzept des ERAS Programms
Der Grundgedanke des ERAS Programms besteht darin, im Rahmen einer Operation mögliche negativ auftretende Einflüsse auf den Organismus auf ein Minimum zu beschränken und die selbstregulierenden Kräfte des Körpers zu stärken. Damit kann die Kaskade aus Angst, Stress, Abhängigkeit, Organfunktionsstörungen und Immobilisation wirkungsvoll durchbrochen werden, um mögliche Komplikationen zu verhindern.
Das Ziel des ERAS Programms
Selbstverständlich ist eine Operation für den Patienten kein alltägliches Ereignis, sondern eine außergewöhnliche Belastungssituation. Im Vordergrund steht zunächst die Erkrankung, welche die Operation überhaupt erst notwendig macht. Damit verbunden sind die Sorgen um die eigene körperliche Unversehrtheit und die Versorgung der Angehörigen. Zu dieser starken emotionalen Belastung gesellt sich häufig die Angst in Narkose ausgeliefert zu sein, vor schmerzhaften Prozeduren, vor Unselbstständigkeit nach einer Operation, oder vor Operationsbeschwerden wie Übelkeit, Durst, Immobilität und Schmerzen. All diese Faktoren stellen für den Organismus eine ganz besondere Stresssituation dar, die durch die Operation selbst noch weiter verstärkt wird.
Auf diese Stresssituation reagiert jeder Körper mit der Ausschüttung bestimmter Hormone, die den Stoffwechsel beeinträchtigen und sich ungünstig auf den Heilungsverlauf auswirken können. Dadurch werden Erkrankungen verschiedener Organsysteme wie z.B. Herzrhythmusstörung, Lungenentzündung, vorübergehende Zuckererkrankung, Störung der Nierenausscheidung und bei älteren Menschen auch vorübergehende Verwirrtheitszustände begünstigt (sogenannte allgemeine postoperative Komplikationen). Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn bereits Vorerkrankungen wie eine Gefäßverkalkung, Zuckerkrankheit, Übergewicht, Alkoholkonsum oder Kurzatmigkeit bei Lungen- oder Herzerkrankungen vorliegen.
Das Ziel des ERAS Programms ist es, diese allgemeinen Komplikationen nach einer Operation zu vermeiden. Das wird dadurch möglich, dass Ärzte, Pflegepersonal und Patienten die grundlegenden Regeln des ERAS Programms kennen und diese in gemeinsamer Teamarbeit konsequent anwenden.
Wie unterstützt ERAS die Therapie?
Das ERAS-Programm besteht aus unterschiedlichen Einzelmaßnahmen, die zeitlich optimal eingesetzt, sich selbst verstärken und somit eine bestmögliche Therapie unterstützen. Eine der zentralen Maßnahmen ist die präoperative Vorbereitung der PatientInnen in Form eines ausführlichen Aufklärungs- und Motivationsgespräches zusammen mit den Angehörigen, um die PatientInnen als Partner für das ERAS-Programm zu gewinnen. Diese Aufgabe wird von speziell ausgebildeteten ERAS-Nurses bereits vor dem OP-Termin begonnen und während des gesamten stationären Aufenthaltes fortgesetzt. Die eigene Rolle der PatientInnen im gesamten Genesungsprozess ist ein entscheidender Punkt.
In den ersten Tagen nach der Operation werden die ERAS-Nurses sie täglich unterstützen und ihre aktive Mitarbeit, Motivation und Wohlbefinden versuchen zu steigern. Anhand eines Patiententagebuches werden die täglichen Genesungsziele festgelegt.
Vermeidung von Stress?
Wo immer möglich, müssen Stress auslösende Faktoren kontrolliert und minimiert werden. Das beginnt mit einer ausführlichen Aufklärung über die Erkrankung, die Behandlung der Erkrankung und den konkreten Ablauf. Der durch die Operation selbst ausgelöste Stress wird am besten durch eine zusätzliche regionale Betäubung kontrolliert.
Optimale Schmerzbehandlung
Schmerzen sind nach Operationen nicht vollkommen vermeidbar, aber sie können dank moderner Maßnahmen so erträglich gemacht werden, dass sie die weitere Genesung nicht behindern. Die wirkungsvollste Form der Schmerzbehandlung bei großen Operationen ist die Periduralanalgesie (PDA) mit Hilfe eines sehr dünnen Schmerzkatheters.
Sie hemmt nicht nur die Weiterleitung der Stressreize zum Gehirn, sondern vermeidet auch die Schmerzwahrnehmung äußerst effektiv. Ein wichtiger Effekt der PDA Behandlung liegt darin, dass die vorübergehende Darmlähmung, die beispielsweise nach großen Bauchoperationen regelhaft auftritt und zu Übelkeit und Erbrechen führen kann, fast völlig vermieden werden kann. Diese Form der Schmerztherapie wird ergänzt durch möglichst nebenwirkungsarme Medikamente, die je nach Bedarf zusätzlich eingenommen werden können. Dafür ist es von besonderer Bedeutung, dass Sie uns das Ausmaß Ihrer Schmerzen regelmäßig mitteilen. Bereits 2 Tage nach der Operation sind die Schmerzen in der Regel so weit abgeklungen, dass der Schmerzkatheter entfernt werden kann und die Behandlung mit Tabletten allein fortgesetzt werden kann.
Zügiger Kostaufbau und Mobilisation
Die Phase der Nüchternheit rund um eine Operation, welche ebenfalls einen Stressfaktor für den Organismus darstellt, soll so kurz wie möglich gehalten werden. Dies beinhaltet, dass am Vorabend der Operation die Einnahme einer leichten Mahlzeit erlaubt ist. In den frühen Morgenstunden des Operationstages wird die Stressreaktion des Körpers durch ein kohlenhydratreiches Getränk minimiert. Abhängig vom Ausmaß der Operation ist im Anschluss eine zügige Nahrungsaufnahme wieder möglich. Dies ist allerdings immer unter Beachtung der jeweiligen Resektion mit den beteiligten Chirurgen zu erörtern.
Eines der großen Ziele des ERAS Programmes ist die Erhaltung der Selbstständigkeit des Patienten. Das bedeutet vor allem, dass eine verlängerte Immobilisation vermieden wird. Bereits am OP-Tag soll die erste Mobilisation zur Aktivierung des Kreislaufes erfolgen. In den Tagen nach der Operation wird der Patient durch alle beteiligten Fachdisziplinen unterstützt, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbstständig zu versorgen und im klinischen Alltag frei zu bewegen. Als Grundvoraussetzung neben der ausreichenden Schmerztherapie ist auch die Eigenmotivation des Patienten entscheidend, welche bereits im Vorfeld des Eingriffes besprochen wird. Durch eine rasche Mobilisation lässt sich das Risiko allgemeiner Komplikation nach operativen Eingriffen deutlich verringern.